Erwachsenenschutzrecht
01.10.2015 | von Marco Grob, Notar-Patentinhaber
«Wer wird sich um mich kümmern?»
Wer vor Gesundheit strotzt, macht sich kaum Gedanken, was dann sein wird, wenn einmal Alter und Krankheit unser Leben bestimmen werden. Vorbei sind die Zeiten, wo Kinder und Enkel uns im „Stöckli“ neben dem Bauernhof umsorgen und für unser leibliches und geistiges Wohl einstehen.
Aus medizinischer Sicht gesehen wird rundum für ein langes Leben gesorgt. Private und öffentliche Institutionen buhlen heute richtiggehend um pflegebedürftige Kundschaft. Hier scheint also das Unternehmertum - im Wissen um die überalternde Gesellschaft - ihre massgeschneiderten Antworten gefunden zu haben. Eine Frage aber bleibt: Wer regelt all meine finanziellen und rechtlichen Angelegenheiten, wenn ich dazu einmal nicht mehr im Stande bin? Klar werden dies im Regelfall der eigene Ehegatte oder die Nachkommen an die Hand nehmen. Was aber, wenn dieser Regelfall wegfällt?
Zu Zeiten der Handlungsfähigkeit kann durch eine Vollmacht eine frei gewählte Vertrauensperson mit den Geschäften betraut werden. Wenn aber die Handlungsfähigkeit dauerhaft verloren geht, wie zum Beispiel bei Personen mit einer Demenzerkrankung, stellt sich die Frage nach einer behördlichen Vertretung, bislang bekannt unter den Begriffen Vormundschaft, Beiratschaft oder Beistandschaft. Private Vollmachten enden nämlich richtigerweise mit dem Verlust der Handlungsfähigkeit, weil der Vollmachtgeber mangels Urteilsvermögen die Ermächtigungen nicht mehr widerrufen und die Handlungen des Bevollmächtigten selber nicht mehr kontrollieren kann.
Am 1. Januar 2013 wurde das Vormundschaftsrecht durch das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht abgelöst.
Die kommunalen Vormundschaftsbehörden wurden durch eine neue Fachbehörde abgelöst. Anstelle der Vormundschaft und Beiratschaft gibt es nur noch die Beistandschaften.
Das neue Erwachsenenschutzrecht stellt in seinem ersten Titel die eigene Selbstvorsorge und -bestimmung in den Vordergrund und eröffnet uns damit das neue Institut des eigenen Vorsorgeauftrages. Durch dieses Novum ist es jeder handlungsfähigen Bürgerin und jedem Bürger möglich, für den Fall des Verlusts der eigenen Urteilsfähigkeit, eine persönlich und fachlich geeignete Person ihres Vertrauens zu bezeichnen. Diese frei gewählte Vertrauensperson vertritt die später allenfalls urteilsunfähige Person dann in der umschriebenen Personen- und Vermögenssorge und im Rechtsverkehr. Der selber bestimmte, engagierte Vorsorgebeauftragte, sofern er fähig und geeignet ist, tritt damit an die Stelle des amtlichen Berufsbeistandes.
Der eigene Vorsorgeauftrag muss in der gleichen Form wie ein Testament errichtet werden. Es genügt also nicht, den am Computer formulierten Vorsorgeauftrag einfach zu unterzeichnen, sondern es ist das ganze Dokument von Hand niederzuschreiben, zu datieren und zu unterzeichnen. Hiefür braucht es kein Notariat und keine Beglaubigung, zudem ist der Auftrag bis zum Eintritt einer Urteilsunfähigkeit jederzeit widerrufbar und wird vom Beauftragten nicht mitunterzeichnet – es handelt sich um eine einseitige Verfügung und nicht um einen Vertrag! Wem das eigenhändige Schreiben schwer fällt, steht alternativ die Möglichkeit der öffentlichen Beurkundung zur Verfügung. Beim Zivilstandsamt kann der Vorsorgeauftrag anschliessend vorgemerkt werden.
Das neue Selbstbestimmungsrecht ist vollumfänglich zu begrüssen. Es kann insbesondere auch bei schwierigen Familienverhältnissen entlasten und bietet Gewähr für eine umfassende und transparente Betreuung. Der rechtzeitigen und klaren Abfassung des Auftragsinhaltes ist besonderes Augenmerk zu schenken, weil gleich wie bei einem Testament im Falle des Ereigniseintritts keine Anpassungen und Ergänzungen mehr möglich und Rückfragen ausgeschlossen sind.
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